IGmA-Lehrveranstaltungen WiSe 2020/21

Der Tatsachenraum. Architektur und Realismus (Seminar)

Dozent: Trentini, Matteo

„Das Bild ist eine Tatsache”, schreibt der österreichische Philosoph Ludwig Wittgenstein in seinem Tractatus Logico-Philosophicus (1921). Mit diesem Buch sieht er seine philosophische Fragen als endgültig beantwortet an. Kurz danach widmet er sich konkret der Fragestellung der Architektur, als er zusammen mit Paul Engelmann das Haus für seine Schwester, Margaret Stonborough-Wittgenstein, in Wien entwirft. Wie schon die Vertreter der französischen architecture parlante im 18. Jahrhundert stellt er sich nun die Frage der sprachlichen bzw. bildhaften Ausdruck der (modernen) Architektur: Was ist die Tatsache der Architektur? Ziel des Seminars ist es, die Möglichkeit einer Architektur des Realismus im Sinne eines Tatsachenraums weiter zu überprüfen. Während des Semester werden nicht nur Beispiele aus der Architekturgeschichte analysiert (Loos, Mies van der Rohe, der italienische Neo-Realismus in der Nachkriegszeit u.a.), sondern auch Versuche einer zeitgenössischen Architektur des Realismus durch Stegreif-Entwürfe erarbeitet.

Einführende Literaturliste:
Ludwig Wittgenstein, Tractatus logico-philosophicus. Logisch-philosophische Abhandlung, 1921
Ludwig Wittgenstein, Vermischte Bemerkungen, 1978
Paul Wijdeveld, Ludwig Wittgenstein Architect, 1994

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In the Making - Architektur und Fernsehen (Seminar)

Dozierende: Hermann, Leo; Krüpe, Philipp; Oehy, Sandra

„Television. The Timid Giant.
TV can illustrate the interplay of process and the growth of forms of all kinds as nothing else can.
TV will not work as background. It engages you. You have to be with it.“
Marshall McLuhan

Nach Beatriz Colomina ist jede Architektur exhibitionistisch veranlagt, und somit prozessual auf mediale Vermittlung angelegt. In der Übertragung von Räumen und Architektur in grössere Zusammenhänge kommt dem Fernsehen als digitalem Leitmedium dabei seit jeher eine tragende Rolle zu. Ausgehend von der Einführung in Felder wie ‚Architektur im Film/ Film in der Architektur’, Medientheorie, Szenografie, aber auch Crossmedial Publishing, werden wir uns in diesem Seminar mit Denker*innen verschiedener Disziplinen beschäftigen, welche die Medien Film und Fernsehen zu umschreiben versuchen, und den entsprechenden Begriffen eine Rolle im Architekturdiskurs zuordnen.

Die Veranstaltung dient der Ausarbeitung theoretischer Grundlagen für den Semesterentwurf 2020/21, in dem das IGmA zum Filmstudio wird. Der Entwurf widmet sich der Konzeption und Produktion unterschiedlicher filmischer Formate, von Videointerview bis Animationsfilm, die ab 2021 auf einem neuen digitalen Kanal für Architekturdiskursbeiträge gestreamt werden. Ergänzend dazu wollen wir in diesem Seminar über die kritische Lektüre von Texten von Colomina, McLuhan, Flusser, Pias, Kittler, Shannon und weiteren Beiträgen von zeitgenössischen Autor*innen den Begriff des „Fernsehens“ in Bezug auf die Produktion und Vermittlung von Architektur im Zeitalter der Digitalisierung problematisieren. Was bedeutet Fernsehen in der und für die Architektur? Wie haben sich Konzepte des Fernsehens über die Zeit gewandelt? Inwiefern ist die Auseinandersetzung mit den Medien Film und Fernsehen für das architektonische Schaffen heute relevant? Inwieweit prägen Video und Film unseren Diskurs über Architektur? Wo liegen die Potentiale solcher Formate? Diese und weitere Fragen leiten unsere Auseinandersetzung mit den verschiedenen theoretischen Positionen.
Über die Textlektüre hinaus sollen die Studierenden einen aktiven Beitrag zum Programm in Form von zwei Input-Referaten zu unterschiedlichen Themen leisten, sowie in der Diskussion gemeinsam mit den Dozierenden und einer Reihe von Gastdozent*Innen über Argumente für den zeitgenössischen theoretischen Diskurs über Architektur nachdenken.

Der Besuch dieses Seminars ist verpflichtend für Teilnehmer*innen des Entwurfs „IGmA TV“ (Dozierende: Stephan Trüby, Leo Hermann, Philipp Krüpe, Sandra Oehy). Der Kurs steht aber auch weiteren interessierten Studierenden (BA/MA) offen.

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Das postmoderne Wissen (Seminar)

Dozent: Mayer, Hartmut

Die im Jahr 1979 von François Lyotard veröffentlichte Schrift La condition postmoderne (dt. Übersetzung 1986 unter dem Titel Das postmoderne Wissen) gilt als Grundlagentext im Diskurs zu einem prognostizierten Ende der „großen Erzählungen der Moderne“ von „Freiheit“ und „Aufklärung“. Als Antwort auf die fehlende Legitimation eines großen Systementwurfs nennt Lyotard Wittgensteins Konzept der „Sprachspiele“, die das Wissen eng an die Begriffe und die Teilhabe an eine Lebensform binden.
Bereits in den frühen 70er Jahren wurde in der Architekturtheorie, ausgelöst durch die Krise der modernen Architektur, Lyotards Fragestellung antizipiert. Obwohl sich der Diskurs in der architektonischen Postmoderne vordergründig auf formale Fragen bezog, erhielt er seine Legitimation durch den Legitimations- und Autonomieverlust der Moderne. An dieser Situation hat sich bis zur Gegenwart nichts geändert, so dass Lyotards Text zur Klärung aktueller architekturtheoretischer Fragen dienen kann.
Anhand architekturtheoretischer Texte von Autoren der Postmoderne (Charles Jencks, Heinrich Klotz, Aldo Rossi, Robert Venturi, Leon Krier, etc.) soll die Fragestellung nach der Legitimität der Moderne erneut gestellt und mit Lyotards These der „Paralogie“ eine Interpretation der Gegenwart unternommen werden.

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Immaterial Labor and Architectural Practice (Seminar)

Dozentin: Stanitz, Zsuzsanna

Defined as the labor that produces the informational and cultural content of the commodity, immaterial labor has been at the center of discussions on contemporary work culture and ethics. Cultural content-, and information creation has been undoubtedly a pivotal element of architectural practice, however, one has to ask the question what happens to the profession once architectural practice only consists of these activities? Is design and the culmination of design projects as something built already a secondary element of the profession? If so, what are the limits of the architectural skillset and knowledge, and what does the infiltration of new territories mean for architectural practice?

Through discussing theories such as “architectural labor”, the “soul at work” and “cognitive labour”, we will examine the notion of the “research turn” in architectural profession and what the idea of the architect-turned theoretician entails. Participants are invited to analyze practices that turned their architectural experience into the creation of new expertise, and whose profiles might suggest the singular way for the survival of architectural profession. The seminar shall provide diverse outlooks on the profession for the next generation of architects, whose perception of their future practice perhaps differs from the already canonized path.

Reference reading:
Peggy Deamer (ed.): The Architect as Worker: Immaterial Labor, the Creative Class, and the Politics of Design (2015)

The participants of the seminar have the opportunity to partake on an exkursion to Hungary, planned for January 2021 by IGmA, given the circumstances allow so.

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Vokabular einer metaeuropäischen Stadt: ein Publikations-Seminar (Seminar)

Dozierende: Prof. Trüby, Stephan; Hönig, Tobias; Trentini, Matteo

Seit der Neugründung das Instituts für Grundlagen moderner Architektur und Entwerfen im Frühjahr 2018 unter der Leitung von Prof. Trüby steht auch die Erforschung der Stadt Stuttgart und ihrer Region im Zentrum der Lehrtätigkeit des Instituts. Begonnen hat diese Recherche mit einer „Mondlandung“ – einer einwöchigen Reise, geleitet von Tobias Hönig, die uns durch Baden-Württemberg führte. Danach wurden in einem viersemestrigen Entwurfstudio unter der Leitung von Tobias Hönig und Matteo Trentini Entwurfsansätze, Theorien, Visionen, Utopien/Dystopien und Kritiken für Stuttgart und seine Region getestet. Nun ist es Zeit, diese Ergebnisse auszuwerten und sie auf ihr Manifestpotenzial zu untersuchen. Ziel des Seminars ist es, die inhaltliche und graphische Bearbeitung einer Publikation zu erarbeiten, die die Arbeit des Entwurfstudio abbilden soll. Zugleich soll das Format „Buch“ als Entwurfsinstrument getestet werden.

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IGmA TV (Entwurf)

Dozierende:Prof. Trüby, Stephan; Hermann, Leo; Krüpe, Philipp; Oehy, Sandra

Fernsehen bietet seit Jahrzehnten bestens bewährte Hilfe gegen Isolation, Zukunftsängste und geistige Lähmungserscheinungen. Gerade jetzt brauchen wir mehr davon! Seitdem Willy Brandt 1967 – natürlich live im Fernsehen übertragen – den roten Knopf drückte und die Welt auf dem Bildschirm in Farbe erstrahlen ließ, sind aus passiven Zuschauer*innen potenzielle Produzent*innen geworden. Ein Smartphone mit geeigneter App genügt, um in die Welt hinaus zu streamen. Wir wollen nach den Erfahrungen des Sommersemesters ebenfalls den roten Knopf drücken und produktiv werden: Das IGmA geht auf Sendung.

Im Entwurfsstudio werden in Einzel- oder Gruppenarbeit Film- und Videoformate konzipiert, produziert und veröffentlicht. Mehrere Workshops mit externen Gästen vertiefen technische, konzeptionelle und räumliche Aspekte transmedialen Arbeitens. Im begleitenden Pflichtseminar erarbeiten wir uns Wissen zur kritischen Reflexion der Projekte und beschäftigen uns mit Grundlagentexten aus Film- und Medientheorie. Die Inhalte der Filme und Videos werden im Laufe des Semesters in der Auseinandersetzung mit den Vermittlungsformen entwickelt. Entwurfsergebnis können dokumentarische oder fiktionale Filme ebenso sein wie Interviews, Animationsfilme oder experimentelle Videos. Im Laufe des Semesters soll eine institutsübergreifende Plattform entstehen, auf der die Entwurfsergebnisse veröffentlicht werden. Es wird darum gehen, aus der Lethargie der Onlinelehre wieder in einen Modus der Produktivität zu finden – oder wie wir bei IGmA.TV sagen: „If I can’t stream it, it’s not my revolution“.

Der Besuch des begleitenden Seminars „In the Making – Architektur und Fernsehen“ (Dienstag Vormittag) ist verpflichtend für Teilnehmer*innen des Entwurfs.

Der Kurs ist auf eine Teilnehmerzahl von 15 Personen beschränkt. In Ausnahmefällen und mit begründetem Interesse können Studierende aufgenommen werden, die über die offizielle Entwurfsvergabe keinen Platz bekommen haben.

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Entwicklung der modernen Architekturtheorie (Vorlesung)

Dozent: Prof. Trüby, Stephan

Komplex Architektur
Architektur ist die vielleicht komplexeste Kulturtechnik, die die Menschheit hervorgebracht hat. Nirgendwo sonst – weder in der Literatur noch im Theater noch in den Bildenden Künsten etc. – fallen wirtschaftliche, technisch-wissenschaftliche, künstlerische, rechtliche, mediale, religiöse und politische Interessen so ineins wie beim Bauen. Doch seit Anbeginn der Moderne um 1800 – dies ist die Ausgangsthese der Vorlesungsreihe – kann immer weniger Rede von der Architektur im Sinne eines klar umrissenen oder gar enzyklopädischen* Fachgebiets sein: aus der Disziplin Architektur ist ein Komplex Architektur geworden. Dieser wird im Rahmen der Vorlesungen systematisch entfaltet: Auf zwei Lektionen mit einführendem und theoretischem Charakter folgen Untersuchungen über das Verhältnis von „Architektur und Politik“, „Architektur und Religion“, „Architektur und Medien“, „Architektur und Recht“, „Architektur und Kunst“, „Architektur und Wissenschaft“ sowie „Architektur und Wirtschaft“. Die Vorlesungsreihe schließt mit einem Blick in die Zukunft der Architektur.

*Vgl. Gerd de Bruyn: Die enzyklopädische Architektur. Zur Reformulierung einer Universalwissenschaft, Bielefeld: Transcript, 2008.

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