IGmA-Lehrveranstaltungen SoSe 2018

1968-2018: ARCH+ & CONTROPIANO – Die Zeitschrift als Projekt (Seminar)

Dozierende: Trentini, Matteo; Oehy, Sandra

1968 erscheint die erste Ausgabe der Zeitschrift ARCH+, herausgegeben von Studierenden und Assistenten der Universität Stuttgart aus dem Umkreis von Max Bense. Die Studienhefte für architekturbezogene Umweltforschung und -planung sollten als Diskussionforum zur Verwissenschaftlichung der Architektur dienen und die Disziplin der Architektur mit anderen Wissensfeldern verbinden. Im selben Jahr startet das italienische marxistische Magazin Contropiano sein Projekt einer Ideologiekritik, welche die Architektur als Sichtbarmacherin des Potentials und der Grenzen intellektueller Arbeit betrachtet. Während ARCH+ sich bis heute als Plattform für die kritische Reflektion des gesellschaftlichen Anspruchs der Architektur (ARCH) am Übergang zu Stadt, Kultur und Medien (+) definiert, wurde Contropiano bereits nach vier Jahren wieder eingestellt. Beide Zeitschriften waren Teil des globalen Aufschwungs der "Little Magazines" in der Architektur im Gefolge des 1968er Aufbruchs.
Die historische Rekonstruktion der Beiträge beider Schriften zur Debatte innerhalb der Disziplin dient uns als Grundlage für allgemeinere Überlegungen zur Rolle und Funktion der Architekturpublizistik in den vergangenen fünfzig Jahren. Das Seminar strukturiert sich entlang der Analyse ausgewählter Fall-Studios (Contropiano, ARCH+, Archithese, Log, Oppositions, etc.) und ihrer Verbindungen mit akademischen, professionellen und politischen Institutionen.
Die Studierenden sollen einen aktiven Beitrag zum Programm des Seminars liefern und gemeinsam mit den Dozierenden über Formen zeitgenössischer Instrumente für den theoretischen Diskurs über Architektur nachdenken.
Das Seminar empfiehlt sich als inhaltliche Begleitung des Entwurfsprojektes „University of Looking Good: Projekt IGMA50” (Dipl.-Ing. Iassen Markov), kann aber auch unabhängig davon belegt werden.

Literatur zum Einstieg:
Beatriz Colomina, et al. (Hrsg.), Clip Stamp Fold : The Radical Architecture Of Little Magazines, 196X to 197X (Actar 2010)

Grand Tour Baden-Württemberg (Seminar mit Exkursion)

Dozierende: Prof. Trüby, Stephan; Hönig, Tobias

Jürgen Habermas definiert die Moderne als das unvollendete Projekt, aus der Theorie eine Praxis der vernünftigen Gestaltung von Lebensverhältnissen abzuleiten. Diese Idee sei fortwährend durch eine vom (Neu-)Konservatismus getragene Allianz zwischen Post- und Prämoderne gefährdet. Im Feld der Architektur identifiziert Habermas die Bereitschaft, die Tradition der Moderne dem Historismus zu opfern, als Symptom dieser Spannung.
Im historisch konservativen Baden-Württemberg artikulieren sich nach dem 2. Weltkrieg zahlreiche Architekturen und räumliche Konstellationen, die der Habermas‘schen Beschreibung Rechnung tragen. So gilt der Konflikt um die Schließung der Hochschule für Gestaltung in Ulm (1968) gemeinhin als Konfrontation zwischen der konservativen Landesregierung um den Ministerpräsidenten Hans Filbinger und dem der Moderne verpflichteten Lehrkörper der HfG. Die Gründung der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe (1992) hingegen, wird als Konzessionsentscheidung des damaligen Ministerpräsidenten Lothar Späth betrachtet, der als Staatssekretär die Ulmer Schule abzuwickeln hatte und darin später einen Fehler erkannte.
Das „Institut Grundlagen moderner Architektur und Entwerfen“ ist selbst Bestandteil dieses Antagonismus. Es wird Ende der 1960er gegen die Theoriefeindlichkeit einer dogmatisch erstarrten Moderne gegründet, von der Habermas sagt, sie sei von der (Neu-)Konservativen besetzt worden, um deren technologische Errungenschaften für ihren wachstumsorientierten Kapitalismus zu instrumentalisieren. Den „explosiven Gehalt“ einer kulturellen Moderne, lehne der Konservatismus hingegen ab.

Das IGMA begeht 2018 sein 50-jähriges Bestehen und arbeitet ab dem Sommersemester mit einen neuen Team. Nicht zuletzt deshalb wird das Institut sich geschlossen mit Studierenden auf eine nach Artefakten des Modernen suchende Expedition durch Baden-Württemberg begeben. Zum einen, um sich seiner selbst zu vergewissern, zum anderen um die vergangenen, gegenwärtigen und künftig möglichen Bedingungen theoretisch wie praktisch orientierter Arbeit im Sinne einer progressiven Moderne auszuloten. Zu den Zielen dieser Tour gehören verschiedenste Orte (Architekturen, Archive, Dörfer, Institutionen, Museen, Landschaften, Städte, etc.), die mit ebenso verschiedenen Methoden (Bild, Film, Intervention, Text, Ton, usw.) erschlossen werden sollen.

Termine:
16.04.18 Vorstellung und Einführung, Vergabe spezifischer Orte und Aufgaben
07.05.18 Review Vorschläge für Aktionen auf der Tour
21.05.18 - tba. Grand Tour Baden-Württemberg
11.06.18 Review Vorschläge für Art und Form eines abschließenden Produkts
16.07.18 Abgabe und Präsentation

Architekturtheorie seit 1968 im globalen Kontext (Seminar)

Dozent: Prof. Trüby, Stephan

2018 jährt sich das Ereignis „1968“, das auch den relativen Nullpunkt zeitgenössischer Architekturtheorie markiert, zum fünfzigsten Mal, und das Jubiläum könnte kaum in unwirtlichere Zeiten fallen. Denn mit dem antiliberalen Rollback der Gegenwart werden die emanzipatorischen Errungenschaften von 1968ff. auf breiter Front von einer teils parlamentarisch, teils außerparlamentarisch agierenden Neuen Rechten bestritten, die in der westlichen Welt das Rad der Zeit zurückdrehen will: zurück in eine Zeit klar konturierter Nationalstaaten mit dazu passenden „Völkern“, zurück in ein „Europa der Vaterländer“. Vor diesem Hintergrund werden im Rahmen des Seminars die international bemerkenswerte hohe Dichte an institutionellen Gründungen im Bereich Architekturtheorie in den Jahren 1967/68 thematisiert (so das IGMA, das gta der ETH Zürich, Peter Eisenmans IAUS in New York oder das Institut für Architekturtheorie, Kunst- und Kulturwissenschaften der TU Graz) – und auf ihre Aktualität hin befragt. Texte von Jürgen Habermas, Thilo Hilpert, Rem Koolhaas, Bernard Tschumi, Karin Wilhelm und vielen anderen werden uns durch das Seminar begleiten.

Literatur zum Einstieg:
Gerd de Bruyn, Stephan Trüby (Hrsg.): architektur_theorie.doc. Texte seit 1960 (Birkhäuser 2003)
K. Michael Hays (Hrsg.): Architecture Theory Since 1968 (MIT Press 1998)
Thilo Hilpert: „Land ohne Avantgarde“ (http://www.archplus.net/home/archiv/artikel/46,2825,1,0.html)
Philip Ursprung: „The End of Theory?“ (http://www.e-flux.com/architecture/history-theory/159230/the-end-of-theory/)

The Curating-Boom and The Architectural Practice (Seminar)

Dozierende: Prof. Trüby, Stephan; Stanitz, Zsuzsanna

Today people “curate” their holidays, their iTunes libraries and their dining experience at the local restaurant. But where does curating as a term originate, and why is it such a crucial form of communication of the cultural field? During the seminar we will discuss the evolvement of the curator’s figure along with the development of exhibitory strategies both in the art and architecture fields. Curating today means way more than exhibition making, since the educational elements of the projects make their way to the foreground. Furthermore, increasingly, architecture practices consider a specific curatorial aspect to their profession crucial these days. You don’t only think about the design of your project, but how to communicate about it both in a written and visual form. Through discussing pivotal examples of art and architecture exhibition history, students will gain an understanding of the evolvement of display strategies. Exhibitions such as Hans Hollein’s Austriennale (1968), Jean- François Lyotard’s Les Immatériaux (1985) or Rem Koolhaas’ Fundamentals (2014) will be critically examined. As part of the course, we will visit exhibitions to train the critical curatorial eye. As the outcome of the seminar, students will have an understanding towards what it means to curate a project today; what are the different theoretical and practical questions to be asked, and how to think about display, programming and communication towards the target audience.

Das Seminar empfiehlt sich als inhaltliche Begleitung des Entwurfsprojektes „University of Looking Good: Projekt IGMA50” (Dipl.-Ing. Iassen Markov), kann aber auch unabhängig davon belegt werden.

Literatur zum Einstieg: Hans-Ulrich Obrist: Ways of Curating (Penguin 2014)

Fundamentals: 50 Jahre Grundlagenforschung am IGMA (Seminar)

Dozierende: Trüby, Stephan; Hartbaum, Verena

Im Jahre 2018 steht der Architekturwelt der 50. Geburtstag des Instituts Grundlagen moderner Architektur und Entwerfen (IGMA) ins Haus, Es wurde 1967 gegen die Theoriefeindlichkeit einer dogmatisch erstarrten Moderne gegründet wurde und nahm im Revolutionsjahr 1968 seinen geregelten Lehrbetrieb auf. Als erstes Institut für Architekturtheorie und Entwerfen im deutschsprachigen Raum repräsentiert das IGMA zum einen die akademische Institutionalisierung der Architekturtheorie in Deutschland, zum anderen das Selbstverständnis der Architektur als einer dezidiert intellektuellen Poiesis.

Unter dem Einfluss verschiedener Protagonisten und Strömungen wurde das Institut zum Ort einer einzigartigen Verbindung von Theorie und Praxis: Das IGMA stand für die Geschichte der modernen Architektur und die Interpretation des zeitgenössischen Bauens, aber auch für die theoretischen Grundlagen der Architektur und ihre Umsetzung in die Praxis. Es wurden historischen Studien zum Verhältnis von Tradition und Moderne angestellt, aber es wurden auch konventionellen Grenzen des Bauens durch interdisziplinäre Techniken erweitert und überschritten. Und, es erfolgte zu Beginn der 1990er Jahre eine wichtige, wenngleich fast unmerkliche Umbenennung des Instituts: aus „Grundlagen der modernen“ wurde „Grundlagen moderner Architektur“ – gerade angesichts des Mauerfalls war es mehr als nachvollziehbar, dass „moderne Architektur“ nur im Plural gedacht werden kann.

Im Master-Seminar „Fundamentals: 50 Jahre Grundlagenforschung am IGMA“ gehen wir der Geschichte des IGMA auf den Grund. In den Grabungsarbeiten verschieden ausgerichteter Forschungsgruppen werden die Stuttgarter Fundamente der Architekturtheorie nicht nur gehoben, sondern zugleich auch in einem Feld internationaler Meilensteinen der Moderne verortet und kontextualisiert. Die Teilnehmer_Innen des Seminars können so die Wechselfälle und Konflikte des Architekturdiskurses der vergangenen fünf Jahrzehnte am eigenen Ort nachvollziehen. Außerdem können sie selbst zu einer Erzählung der Institutsgeschichte beitragen, wie sie die Stuttgarter Schule so noch nie zuvor vernommen hat.

Das Seminar empfiehlt sich als inhaltliche Begleitung des Entwurfsprojektes „University of Looking Good: Projekt IGMA50” (Dipl.-Ing. Iassen Markov), kann aber auch unabhängig davon belegt werden.

Literatur zum Einstieg:
Nina Gribat, Philipp Misselwitz, Matthias Görlich (Hrsg.): Vergessene Schulen. Architekturlehre zwischen Reform und Revolte um 1968 (Spector 2017)
Wolfgang Schwinge (Hrsg.): Positionen 1968–1998. Vortragsreihe und Symposium zum 30-jährigen Bestehen des IGMA (IGMA, 2000)
Arno Lederer (Hrsg.): ach. Ansichten zur Architektur Nr. 35: Jubiläumsausgabe zu 40 Jahre IGMA (2008)

Geoffrey Scott: The Architecture of Humanism. A study in the history of taste (Seminar)

Dozent: Mayer, Hartmut

Geoffrey Scotts Text aus dem Jahr 1914 bezeichnet Hanno-Walter Kruft als die «wohl intelligenteste und schärfste Abrechnung mit Auffassungen, die Architektur als Instrument außerarchitektonischer Kriterien genutzt haben.» Scott unterscheidet vier Arten von Trugschlüssen: the Romantic Fallacy, the Mechanical Fallacy, the Ethical Fallacy and the Biological Fallacy. Diesen Trugschlüssen stellt Scott einen autonomen Kern der Architektur entgegen, den er mit Hilfe von Vitruv, der Architekturtheorie der Renaissance und der „Einfühlungsästhetik“ herausarbeitet. Seine Theorie zu einer humanistischen Architektur formuliert damit sowohl eine Kritik an der Architekturtheorie des 19. Jahrhunderts und kann als Vorwegnahme einer Kritik an der Architekturtheorie des 20. Jahrhunderts gelesen werden.
Neben der Aufarbeitung des architekturtheoretischen und philosophisch-ästhetischen Kontextes von Scotts Theorie wird die Frage nach der Möglichkeit einer humanistischen Architektur im 21. Jahrhundert neu gestellt.

University of Looking Good: Projekt IGMA50 (Entwurf)

Dozierende: Prof. Trüby, Stephan; Markov, Iassen

Im Jahre 2018 steht der Architekturwelt der 50. Geburtstag des Instituts Grundlagen moderner Architektur und Entwerfen (IGMA) ins Haus, Es wurde 1967 gegen die Theoriefeindlichkeit einer dogmatisch erstarrten Moderne gegründet wurde und nahm im Revolutionsjahr 1968 seinen geregelten Lehrbetrieb auf. Als erstes Institut für Architekturtheorie und Entwerfen im deutschsprachigen Raum repräsentiert das IGMA zum einen die akademische Institutionalisierung der Architekturtheorie in Deutschland, zum anderen das Selbstverständnis der Architektur als einer dezidiert intellektuellen Poiesis. Im November 2018 wird im Rahmen des „Architekturnovember“ im Württembergischen Kunstverein die Jubliäumsausstellung IGMA50 stattfinden, die im Rahmen des Projektes erarbeitet werden soll. Präsentiert werden sollen 50 Jahre Architektur, 50 Jahre Theoriebildung, 50 Jahre Lehre sowie 50 Jahre Magazin- und Bücherproduktion. Beginnend mit einem theoretischen Mini-Symposium zum Thema Ausstellungsdesign werden wir die Problematiken und Potentiale des Formats Ausstellung eingehend kennenlernen. Dabei gilt: Die Ausstellung selbst, aber auch bereits die Zwischenpräsentationen sollen denkwürdiges Ereignis werden.

Allen Teilnehmer_innen des Entwurfsprojektes wird zur inhaltlichen Vertiefung die Teilnahme an der IGMA-Exkursion „Grand Tour Baden-Württemberg” (Tobias Hoenig) sowie an einem oder an mehreren der folgenden IGMA-Seminare empfohlen: „Fundamentals: 50 Jahre Grundlagenforschung am IGMA“ (Dipl.-Ing. Verena Hartbaum), „1968-2018: ARCH+ & CONTROPIANO – Die Zeitschrift als Projekt” (Sandra Oehy und Matteo Trentini) oder „Design, Discuss, Display” (Zsuzsanna Stánitz, M.A.).

Entwicklung der modernen Architekturtheorie (Vorlesung)

Dozent: Prof. Trüby, Stephan

Komplex Architektur
Architektur ist die vielleicht komplexeste Kulturtechnik, die die Menschheit hervorgebracht hat. Nirgendwo sonst – weder in der Literatur noch im Theater noch in den Bildenden Künsten etc. – fallen wirtschaftliche, technisch-wissenschaftliche, künstlerische, rechtliche, mediale, religiöse und politische Interessen so ineins wie beim Bauen. Doch seit Anbeginn der Moderne um 1800 – dies ist die Ausgangsthese der Vorlesungsreihe – kann immer weniger Rede von der Architektur im Sinne eines klar umrissenen oder gar enzyklopädischen* Fachgebiets sein: aus der Disziplin Architektur ist ein Komplex Architektur geworden. Dieser wird im Rahmen der Vorlesungen systematisch entfaltet: Auf zwei Lektionen mit einführendem und theoretischem Charakter folgen Untersuchungen über das Verhältnis von „Architektur und Politik“, „Architektur und Religion“, „Architektur und Medien“, „Architektur und Recht“, „Architektur und Kunst“, „Architektur und Wissenschaft“ sowie „Architektur und Wirtschaft“. Die Vorlesungsreihe schließt mit einem Blick in die Zukunft der Architektur.

*Vgl. Gerd de Bruyn: Die enzyklopädische Architektur. Zur Reformulierung einer Universalwissenschaft, Bielefeld: Transcript, 2008.

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