IGmA Lehrveranstaltungen WiSe 2019/20

(Architektur)Theorie zwischen Produktion und Beobachtung (Seminar)

Dozent: Trentini, Matteo

Seit jeher ist das architekturbezogene Schreiben ein zentrales Instrument der diskursiven Reflexion über den erkenntnistheoretischen Zustand der architektonischen Disziplin, und zwar sowohl als Mittel, um sich über ihren theoretisch-inhaltlichen Status quo im Klaren zu werden, als auch zur Weitergabe praktischen Wissens.
In den letzten Jahrzehnten jedoch, dies sei die zentrale These des Seminars, scheint das architekturbezogene Schreiben immer seltener gesellschaftliche Verantwortung übernehmen zu wollen; es scheint einer Praxis gewichen zu sein, die der passiven Wahrnehmung und Realitätsbeobachtung im Sinne einer Rhetorik des „Learning from...“ folgt. Aufbauend auf gemeinsamen Analysen klassischer, architekturtheoretischer Texte wird im Laufe des Seminars versucht, eine Reflexionspraxis über die Rolle, die Praktiken und die Formen der gegenwärtigen Architekturtheorie anzuregen und diese als vervollständigenden Teil des Architekturprojekts zu verstehen.

Literatur:
Massimo Cacciari, Architecture and Nihilism. On the philosophy of modern architecture, 1993
Massimo Cacciari, Wohnen.Denken. Essays über Baukunst im Zeitalter der völligen Mobilmachung,2002
Ullrich Conrads, Programs and manifestoes on 20th-century architecture, 1971
Kari Jormakka, Geschichte der Architekturtheorie, 2003
Hanno-Walter Kruft, Geschichte der Architekturtheorie: 

Architektur zwischen Konsens und Konflikt (Seminar)

Dozentin: Hartbaum, Verena

„Das Haus hat allen zu gefallen. Zum Unterschiede zum Kunstwerk, das niemandem zu gefallen hat. [...] Das Kunstwerk ist revolutionär, das Haus konservativ“ schrieb Adolf Loos in seinem Aufsatz „Architektur“ (in: Der Sturm, 1910) und beschrieb damit schon vor über 100 Jahren den schwerfälligen Charakter einer doch eigentlich der Zukunft zugewandten Disziplin. Auch heute tut sich die bauschaffende Zunft eher schwer im Aushalten von Konfliktfeldern und orientiert sich zumeist an der Konstruktion einer konfliktvermeidenden gesellschaftlichen (An-)Ordnung. Und doch hält die Architekturgeschichte zahlreiche Architekturkonflikte bereit, während wir in der Gegenwart unsere Aufmerksamkeit zunehmend auch auf Konfliktarchitekturen richten (müssen).

Im Seminar „Architektur zwischen Konsens und Konflikt“ werden wir anhand jüngerer Debatten in Architektur und Stadtplanung die Möglichkeiten und Grenzen des gesellschaftlichen Konsenses ausloten und der produktiven Kraft von Architekturkonflikten nachgehen. Durch die gemeinsame Lektüre wichtiger Diskurstheorien werden wir sowohl die verworrensten Debatten als auch die selbstverständlichsten Abläufe rund um das Verhandeln von Architektur systematisch erklären können.

BASISLITERATUR:
Niklas Luhmann: Legitimation durch Verfahren, 1969.
Jürgen Habermas: Theorie des kommunikativen Handelns, 1981.

Autonome Architektur (Seminar)

Dozent: Mayer, Hartmut

Das Konzept einer autonomen Architektur hat Emil Kaufmann in Von Ledoux bis Le Corbusier als das gemeinsame Charakteristikum der Revolutionsarchitektur und der modernen Architektur bezeichnet. Autonomie in der Architektur zeige sich darin, dass der architektonische Verband der städtischen Struktur und des Gebäudes aufgelöst werde und es zu einer Atomisierung ihrer Elemente komme. Als „Poesie der reinen Laute“ soll die autonome Architektur ein elementares Vokabular zur Verfügung stellen, welches die eigene Historizität und die Bindung an soziale, technische und ökonomische Relationen überwindet.
Im Seminar wird Kaufmanns These einer autonomen Architektur anhand von Texten von Valéry, Le Corbusier, Aldo Rossi bis Adorno diskutiert. Es wird kritisch hinterfragt, ob die Architektur eine autonome Disziplin überhaupt sein kann oder ob sie nicht immer in Relation zu etwas Anderem steht.

Architektur und Ideologie / Architektur als Ideologie (Seminar)

Dozent: Prof. Trüby, Stephan

Der italienische Architekturhistoriker Manfredo Tafuri definierte 1968 in Teorie e storia dell‘architettura die Architektur als «Ideologie, als Institution die, die Ideologie produziert».* Mit Tafuris These, die er aus der Beobachtung der Entwicklung der modernen Architektur gewann, untersuchen wir die ideologische Funktion der Architektur im 19., 20. und 21. Jahrhundert.
Das Seminar wird sich daher mit der Rolle der Architektur als Produkt von Ideologie wie als Produzentin von Ideologie befassen, und zwar durch die Analyse verschiedener historischer Kontexte:
– erstens im Kontext des 19. Jahrhunderts, und zwar im Zuge der Bildung moderner Nationalstaaten
– zweitens im Kontext der 1920er und 1930er Jahren in Europa, als im Zuge politischer Revolutionen vor allem in Russland, Italien und Deutschland die Architektur zum Instrument kommunistischer bzw. faschistischer Propaganda wird;
– drittens im Kontext der Nachkriegszeit, als Architektur vor allem in Deutschland und Italien zum Instrument des gesellschaftlichen Wiederaufbaus, aber auch zum ideologischen Instrument des Kalten Krieges wird;
– und viertens im Kontext der Gegenwart, die wir als ein Zeitalter begreifen, in dem ein (neo-)liberaler Status quo droht, ins Illiberale zu kippen.

Sven-Olov Wallenstein, Architecture, Critique, Ideology, Axlbooks, 2016

*M. Tafuri, Avvertenze alla seconda edizione in M. Tafuri, Teorie e storia dell‘architettura, Laterza, Roma-Bari. s. xi

Art and Architecture (Theories, Experiences, Experiments) (Seminar)

Dozentin: Stanitz, Zsuzsanna

Art and architecture: a two-way or a comfortable bedfellow relationship? This is touched upon by Jane Rendell in her book Art and Architecture: A Place Between explaining her notion of critical spatial practice when referring to the connection of the disciplines. As she wrote, there is an ongoing attraction to one another that can be explained with architecture's curiosity about contemporary art due to “the perception of art as a potentially subversive activity relatively free from economic pressures and social demands while art's current interest in architectural sites and processes may be related to architecture's so-called purposefulness, its cultural and functional role, as well as the control and power understood to be integral to the identity of the architect.”
There is a rising tendency of practices operating on the blurry, but merging boundaries of art and architecture. During the seminar, we will discuss theories, visit exhibitions, present examples of artists´ and architects´ practices and the art and architecture exhibition history. Topics such as the Gesamtkunstwerk, Installation Art, the Pavilion effect, Performance Architecture, Pneumatic Structures or Art in the Public Space will be touched upon. As part of an excursion a visit to the Museum Insel Hombroich in Neuss is planned.

Reference reading: Jane Rendell: Art and Architecture: A Place Between (I.B. Tauris, 2006)

Cafeteria of Looking Good (Seminar)

Dozent: Markov, Iassen

Im Wintersemester lobt die University of Looking Goog (UoLG) den zweistufigen Wettbewerb „Cafeteria of Looking Good“ aus. Wettbewerbsgrundstück ist das Foyer vom K1.

Im ersten Teil wird in sieben Tagen die Geschichte des Cafés studiert, und es werden die besten Cafés der Welt analysiert. So soll am Ende der ersten Stufe das University of Looking Good Café Design Manual entstehen – die theoretische Basis für die zweite Stufe.

Am Anfang der zweiten Phase wird die Wettbewerbsaufgabe ausgeteilt und innerhalb von sieben Tagen sollen die Teilnehmer des Seminars ein Ideenprojekt für die neue K1 Cafeteria vor einer interdisziplinären Jury präsentieren.

Die neue Cafeteria of Looking Good soll nicht nur eine gastronomische Bereicherung bieten. Es sollen Konzerte, Vorträge und Partys auch spontanerer Art stattfinden können. Dabei sind Themen wie Flächenaufteilung, Design und Aufmachung wichtig, ebenso aber auch die Art des Betriebsmodells sowie des Finanzierungskonzepts.

Es ist beabsichtigt, mit dem ersten Preis des Wettbewerbs in die nächste Phase der Konzeptentwicklung und Ausarbeitung zu gehen.

In Kooperation mit der Fachschaft.

Die Stadt in der Stadt: Region Stuttgart. Ein grünes Archipel? (Entwurf)

Dozierende: Prof. Trüby, Stephan; Hönig, Tobias; Trentini, Matteo

In den 1960er Jahren exerzierte Oswald Matthias Ungers mit seinen Studierenden an der TU Berlin radikale Großkomplexe durch („Berlin 1995“). Am Ende verließ er frustriert die Stadt: Die modernen Großsiedlungen (u.a. das unter seiner Beteiligung entstandene Märkische Viertel) standen in einer breiten öffentlichen Debatte unter heftigem Beschuss; seine Studierenden wareb Mitauslöser dieser Diskussion – und wandten sich der Planungstheorie zu. 1977 kehrte Ungers für kurze Zeit aus den USA nach Berlin zurück. Zusammen mit seinen Assistenten an der Cornell University, Hans Kollhoff, Rem Koolhaas, Peter Riemann und Arthur Ovaska sowie einigen Studierenden erarbeiteten sie das heute als legendär geltende Pamphlet Das Grüne Archipel – Die Stadt in der Stadt, das nicht nur als das Manifest der polyzentrischen Stadt verstanden werden kann, sondern auch die Lehre Ungers an der TU einige Jahre zuvor retroaktiv legitimierte.
Polyzentrik ist auch einer der Schlüsselbegriffe der IBA 2027 StadtRegion Stuttgart. Im kommenden Semester wollen wir uns auf der Grundlage des Grünen Archipels auf die Suche nach urbanen Inseln/Zentren in der Region machen. Während Ungers im Jahre 1977 aber die post-moderne Stadtvilla als architektonisches Mittel dieser Idee für sich entdeckte, wollen wir nun die Stadtidee des Archipels mit der Architekturidee Ungers der 1960er Jahre zusammenbringen, um von dort aus ein zukunftsorientiertes Update der Moderne zu skizzieren.

Entwicklung der modernen Architekturtheorie (Vorlesung)

Dozent: Prof. Trüby, Stephan

Komplex Architektur
Architektur ist die vielleicht komplexeste Kulturtechnik, die die Menschheit hervorgebracht hat. Nirgendwo sonst – weder in der Literatur noch im Theater noch in den Bildenden Künsten etc. – fallen wirtschaftliche, technisch-wissenschaftliche, künstlerische, rechtliche, mediale, religiöse und politische Interessen so ineins wie beim Bauen. Doch seit Anbeginn der Moderne um 1800 – dies ist die Ausgangsthese der Vorlesungsreihe – kann immer weniger Rede von der Architektur im Sinne eines klar umrissenen oder gar enzyklopädischen* Fachgebiets sein: aus der Disziplin Architektur ist ein Komplex Architektur geworden. Dieser wird im Rahmen der Vorlesungen systematisch entfaltet: Auf zwei Lektionen mit einführendem und theoretischem Charakter folgen Untersuchungen über das Verhältnis von „Architektur und Politik“, „Architektur und Religion“, „Architektur und Medien“, „Architektur und Recht“, „Architektur und Kunst“, „Architektur und Wissenschaft“ sowie „Architektur und Wirtschaft“. Die Vorlesungsreihe schließt mit einem Blick in die Zukunft der Architektur.

*Vgl. Gerd de Bruyn: Die enzyklopädische Architektur. Zur Reformulierung einer Universalwissenschaft, Bielefeld: Transcript, 2008.

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